Maria Justus: Einführung zu meiner künstlerischen Praxis
Meine künstlerische Praxis konzentriert sich auf die Erforschung von Fragmenten aus Vergangenheit, Zukunft, Erinnerungen und Erfahrungen. Durch die Kombination, Verfremdung und Neudefinition visueller und inhaltlicher Bruchstücke erschaffe ich medienübergreifende Werkzyklen, die aus Gemälden, Skulpturen, Videos und Fotografien bestehen und miteinander in Verbindung treten. Brüche – entweder durch den Zerfall von Materie, historische Ereignisse oder biografische Einschnitte – , diese Brüche werden von mir als Räume für neue Inhalte verstanden, sei es in Form von Gedanken, Theorien oder Materialien. Diese Übergänge zwischen Vergangenheit und Zukunft, Rekonstruktion und Imagination bilden das Zentrum meiner künstlerischen Praxis.
Ich bin 1989 in Nowosibirsk, Sibirien in der UdSSR geboren und lebe seit 2003 in Deutschland. In der Ausstellung Where we are going, we don’t need roads interpretiere ich das ikonische Werk Das Floß der Medusa von Théodore Géricault aus dem Jahre 1819 neu. Das Gemälde zeigt den Überlebenskampf von Schiffbrüchigen auf offener See und steht symbolisch für die politischen Fehlentscheidungen, die 1816 in Paris für Aufruhr sorgten.
Ich habe die Figuren des Originalgemäldes durch Fotografien antiker Gottheiten ersetzt, die in renommierten Museen weltweit aufgenommen wurden, so z.B. in den Vatikanischen Museen in Rom, im Louvre in Paris oder Metropolitan Museum of Art in New York und die Glyptothek in München. In einer 250 x 190 cm großen Textilcollage, einem beschichteten Transfer-Druck und Acryl auf Baumwollgewebe, entsteht ein komplexes Geflecht von Symbolen, das historische Ereignisse in den Kontext zeitgenössischer Fragen zu Macht, Verfall und Widerstand stellen… gut 200 Jahre später erhält das Floß der Medusa eine beklemmende Aktualität.
Durch die museal kontextualisierten Artefakte versuche ich eine metahistorische Ebene herzustellen, die das Werk in die Gegenwart überführt und die Zerbrechlichkeit institutionalisierter Werte offenlegt. So wird das Überleben nicht nur als biologisches, sondern auch als kulturelles und politisches Phänomen erfahrbar.
(c) Fotografin: Julia Milbergen