„Holding for memories. Shifting for thoughts“

Maria Justus (*1989) präsentiert in ihrer zweiten Einzelausstellung in der Galerie J.J. Heckenhauer eine neue Serie von Arbeiten, darunter Collagen auf Leinwand und Skulpturen. Die Ausstellung greift Darstellungen antiker Gottheiten auf und lädt die Betrachter ein, über das Zusammenspiel zeitloser Erinnerung und unbegrenzter Vorstellungskraft nachzudenken.


PRESSETEXT  „HOLDING FOR MEMORIES, SHIFTING FOR THOUGHTS“ – Maria Justus

„HOLDING FOR MEMORIES, SHIFTING FOR THOUGHTS“ beleuchtet Maria Justus Faszination für die Schnittstellen zwischen Mensch und Technologie. Besonders interessieren sie Maschinen bzw. digitale Programme, die menschliches Denken, Fühlen und Handeln imitieren und dabei nicht nur versuchen, bestimmte Arbeitsprozesse, sondern auch Menschen an sich zu ersetzen. Ihre Arbeiten untersuchen, wie Innovationen die analoge Wirklichkeit und persönliche Empfindungen bzw. individuelle Weltbilder erweitern und beeinflussen können.

In der Vergangenheit wurden (göttliche) Übermenschen als Hüter sozialer Normen in Stein verewigt und der Glaube an sie hatte großen Einfluss auf das menschliche Verhalten. Heute streben viele Menschen danach, selbst die aktive, allwissende oder sogar göttliche Rolle einzunehmen: als Forschende, Schöpfer*innen und Herrscher*innen über die Natur.

Die grundlegendste Veränderung im Wandel der Zeit erkennt Justus in der Beziehung der Menschen zu sich selbst. Das Wandvlies, auf dem Satellitenfotos aus dem Online-NASA-Archiv zu sehen sind, veranschaulicht inwieweit die Wissenschaft zum Stellvertreter für Glauben und gesellschaftlich anerkannte Normen geworden ist. Das menschliche Streben beschränkt sich nicht länger auf die Erde; diese Bilder repräsentieren den wissenschaftlichen Fortschritt und die Sehnsucht nach neuen Orten. Die Menschheit strebt einem unbekannten Ziel entgegen, während die Errungenschaften der Wissenschaft paradoxerweise stets neue Rätsel aufwerfen, anstatt finale Antworten auf existentielle Fragen zu liefern.

Justus präsentiert neue Arbeiten aus vier verschiedenen Serien. In Reminiscence zeigt sie großformatige Bilder, die collagierte, fragmentierte Aufnahmen einer unbekannten griechischen Gottheit darstellen. Diese Werke hinterfragen die Vergänglichkeit von Archetypen, die einst das Menschenbild prägten, und beleuchten die Möglichkeit ihrer Reinterpretation, die oft zur Verfälschung von Erinnerungen und historischen Fakten genutzt wird. Die blaue Übermalung der Bilder steht für die Möglichkeit der Veränderung dieser Erinnerungen und die potenzielle Manipulation von Bildern, Wahrheiten und Bedeutungen.

Dem gegenüber präsentiert Justus in Beton gegossene Wandskulpturen von Körperfragmenten, in diesem Fall Händen. Sie rückt damit den Menschen als Subjekt und damit als denkendes und fühlendes Wesen in den Vordergrund ihrer Arbeit. Diese Perspektive wird durch die Hände, die wie lebendig aus der Wand in den Raum greifen und doch in ihrer Bewegung versteinert sind, hervorgehoben. Die Hände schaffen eine Verbindung zwischen den leblosen Artefakten auf den Leinwänden sowie dem sich darin aufhaltenden lebendigen Publikum.

Kleinformatige Schwarz-Weiß-Arbeiten auf Transferfolien zeigen altrömische Marmorskulpturen. Die Statuen, einst Zeugen der Weltbilder und Überzeugungen vergangener Zivilisationen, sind ihrer früheren Funktion als Vorbild und Götzenbild entrückt, heute sind sie anonym und verwahrlost. In diesen analog bearbeiteten Fotografien reflektiert Justus den Verfall sozialer Normen in der Geschichte.

In einer weiteren Werkserie sind Wolken abgebildet, die Justus über Jahre hinweg fotografisch festgehalten hat. Die Serie thematisiert die Vieldeutigkeit von Wolken als ungreifbares Element des Himmels und als digitale Clouds zur Datenspeicherung. Wolken verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, indem sie den Wasserkreislauf auf der Erde mitgestalten, für die Fruchtbarkeit der Böden sorgen und eine visuelle Brücke zwischen der Greifbarkeit der Erde und der Ungreifbarkeit des Himmels schaffen. In ihrer digitalen Form sind Clouds die Infrastruktur für digitale Archive. Nutzer*innen laden Daten über eine Internetverbindung auf einen Server hoch, wo sie auf einer virtuellen Maschine auf einem physischen Server gespeichert werden. Justus Werkserie verknüpft diese beiden Aspekte, indem sie die flüchtige Natur physischer Wolken und die Beständigkeit digitaler Clouds miteinander in Beziehung setzt.

„HOLDING FOR MEMORIES, SHIFTING FOR THOUGHTS“ beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Vergangenheit und Zukunft sowie Menschsein und Technik und inspiriert zur Reflexion über Werte in einer technologisierten Welt. Besonders aber schafft die Künstlerin einen Freiraum, um über die Bedeutung und den fortwährenden Wandel unserer Werte, Normen und Weltbilder nachzudenken, angetrieben von unserem sehnsüchtigen Streben nach etwas Größerem.

Teresa Retzer


Artikel zur Künstlerin und der aktuellen Ausstellung von Giorgio Guglielmino im italienischen Il Giornale Dell`Arte.

https://www.ilgiornaledellarte.com/Mostre/Maria-Justus-e-il-futuro-delle-divinita-


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